06.09.2016

Höchster Berg des Iran: Damavand, 5671m

Kategorie Wanderungen | Wer Manuel Meier, Lukas Mathis | Region Iran
Dauer 3 Tage | Aufstieg 3600m | Abstieg 4000m | Schwierigkeit   Wandern  T5
Route Parkplatz Westroute - Simorgh - Gipfel - Simorgh - Bargah-e Sevvom (Südroute) - Guwsfand Sara
Publiziert 06.04.2017 10:13

Tag 0 Flughafen - Parkplatz auf 3400m
Am Sonntag, 04. September landeten wir um 06:00 im Imam Kohemeini Airport in Teheran. 11 Stunden später lagen wir am Fusse des Damavand auf 3400m in unserem Zelt - total erschöpft, nachdem wir über 30 Stunden lang praktisch nicht geschlafen hatten.
Zuvor hatten wir uns durch die riesige Hauptstadt des Iran gekämpft: Mit dem Taxi vom Flughafen zur Busstation Ost. In deren Umgebung hatten eine iranische Sim-Karte für wenige Franken gekauft und an einer Tankstelle 5dl Benzin "gekauft" bei einem Liter-Preis von 25 Rappen muss man da eher von "geschenkt gekriegt" sprechen.
Anschliessend hatten wir einen Bus nach Polour genommen, dort im Bergsteigerzentrum Permits gekauft und Wasserreserven aufgefüllt. Wie anderorts erwähnt sind die Permits in der iranischen Inflations-Währung Rial deutlich günstiger als in Dollar. 
Nach längeren Verhandlungen einigten wir uns dann mit einem Taxi-Fahrer, dass dieser uns mit seinem Geländewagen an den Fuss der Westroute fährt. Für die rund 80-minütige Fahrt bezahlten wir schlussendlich rund 40CHF.
Auf dem "Parkplatz" am Fusse der Westroute bauten wir uns sogleich das Zelt auf und schliefen nicht weniger als 13 Stunden durch.

Tag 1 - Parkplatz (3400m) - Simorgh Schutzhütte (4200m)
Am Folgetag machten wir uns auf, um zur Schutzhütte aufzusteigen. Der Weg ist kaum zu verfehlen. Allerdings gab's nirgends Wasser - glücklicherweise hatten wir uns darauf eingestellt und genügend mitgebracht. Ausser einigen Hirten trafen wir keine Menschen. Dies änderte sich auch mit dem Erreichen der Hütte nicht.
Die massiv gebaute Hütte steht praktisch komplett leer. Tisch oder Sitzmöglichkeiten sucht man vergebens. Dafür schützt sie vor Wind. Hinter der Hütte plätscherte ein Bächlein mit frischem Schmelzwasser, das einwandfrei schmeckte. Nur wenige Meter unterhalb verschwand das bessere Rinnsal praktisch komplett in einer Wasserfassung der Schafshirten.

Bei einem feinen Tomaten-Risotto genossen wir einen spektakulären Sonnenuntergang. Temperaturmässig war es nicht sehr kalt. Mit dem starken Wind war es aber durchaus ungemütlich.

Bei der Hütte hatte ich zeitweise Mobilfunkempfang, war gar in der Lage Nachrichten über Whatsapp zu versenden.

Tag 2 - Ungeplanter & riskanter Gipfelpush
Am nächsten Morgen nahmen wir es gemütlich. Kurz nach dem Aufstehen trafen wir den ersten anderen Bergsteiger. Ein iranischer Bergführer war zur Hütte aufgestiegen, um einen Rekordversuch zu unterstützten: Seine Frau versuchte den Gipfel an einem Tag über die Süd- und Westroute zu besteigen. Im Gepäck hatte er nicht nur Verpflegung für seine Frau, sondern auch schlechte Nachrichten für uns:
Schneller als ursprünglich angenommen war eine massive Schlechtwetterfront vom Kaspischen Meer auf dem Weg zum Damavand. 

Ein Gipfelversuch in den nächsten 2-3 Tagen sei zumindest über die Westroute ziemlich gefährlich, meinte er. So stellten wir kurzerhand alle unsere Pläne auf den Kopf. Anstatt einer gemütlichen Akklimatisationstour packten wir unsere Rucksäcke für einen (aussichtslosen?) Gipfelpush. Wir waren uns mehr als nur unsicher, ob es sinnvoll war am zweiten Tag, den Gipfel anzugehen. Zumindest die angestrebte Überschreitung war damit undenkbar. Unmöglich schleppten wir all unseren Grümpel heute noch auf den Gipfel hoch. 

Um 10:30 starteten wir (viel zu spät), körperlich fit aber mit mulmigen Gefühlen den Gipfelversuch. Wir wussten, dass wir uns nicht allzu lange da oben aufhalten konnten und gingen konstant mit wenig Pausen dem Ziel entgegen.

Der Aufstieg ist über weite Strecken wenig schwierig, vielleicht ein T3. Einfach durch das Geröll hoch. Doch je höher wir kamen, desto öfters versperrte hartgefrorener Schnee und Eis den einfachsten Weg. Oft mussten wir in den Fels ausweichen und teilweise auch unangenehm Schneefelder queren. Vor allem die letzten 200 Höhenmeter waren anspruchsvoller als gedacht (T5). Hier muss ich auch Noah widersprechen: Zumindest im September dürften die Laufschuhe keine geschickte Wahl sein für einen Gipfelversuch.
Aber ja, du hast richtig gelesen - ich sprach bereits von den letzten 200 Höhenmeter. Denn diese erreichten wir schneller als erwartet und fühlten uns abgesehen von etwas Kopfweh auch noch erstaunlich fit. 
Mit der Höhe nahm auch der Wind stetig zu. In der letzten Traverse zum Kraterrand war er so stark wie ich ihn in meinem Leben noch nie erlebt hatte. Trotz fast 100kg Kampfgewicht bereitete es mir Mühe, mich auf den Beinen zu halten.
Auf dem Gipfel genossen wir kurz die überwältigende Aussicht machten wenige Fotos u.a. auch mit den sichtlich begeisterten iranischen Bergsteigern, die über die Südroute aufgestiegen waren und sich teilweise kaum mehr auf den Beinen halten konnten.

Der anschliessende Abstieg war lang. Sehr lang. Das Geröll auf der Westseite ist ungleichmässig und teilweise sehr grob - damit wird eine angenehme "Geröll-Abfahrt" verhindert. Mein Kollege und ich fühlten uns ausserdem immer schlechter. Konnten kaum mehr Nahrung aufnehmen und das Kopfweh wurde stärker.

Mit Mühe und total ausgelaugt erreichten wir die Schutzhütte kurz vor 17 Uhr wieder. Sofort legten wir uns hin, in der Hoffnung, das würde helfen. Immer wieder fragte ich mich, ob 4200m genügend tief war, um uns zu erholen und akuter Höhenkrankheit aus dem Weg zu gehen. 
Um 19 Uhr wurden vor allem die Anzeichen bei meinem Kollegen derart schlimm, dass ich einen Schnellabstieg zu planen begann. Was musste bloss mit? Würden wir wieder genügend fit, um den Rest des Gepäcks noch zu holen? Was, wenn der prognostizierte Schneefall bereits in der Nacht einsetzt?

Dies war auch der Zeitpunkt, zudem wir beide die Symptome medikamentös mit Algifor zu bekämpfen begannen. Dies zeigte sofort Wirkung und wir konnten etwas schlafen. Stündlich stellte ich den Wecker, um unseren Zustand abzuchecken. Um 22 Uhr fühlten wir uns beide massiv besser und konnten wieder Nahrung zu uns nehmen. Am Morgen waren wir noch immer etwas schwach aber schmerzfrei - der Notabstieg war zum Glück nicht nötig geworden.


Tag 3 - Traverse Südroute & Abstieg
Dem Hinweis des iranischen Guides folgend querten wir an diesem Morgen von der Hütte der Westroute zur Hütte der Südroute. Dabei handelt es sich um einen relativ gut ersichtlichen Pfad, der über weite Strecken sogar mit Farbe markiert ist. Die Marschzeit beträgt rund 3 Stunden, Schwierigkeiten gibt es höchstens unmittelbar vor der Südroute, wo einige Felsbänder zu queren sind.
Den genauen Einstieg von der Südroute auf die Querungsroute kenne ich nicht, da wir abgekürtzt haben und etwas tiefer auf die Südroute getroffen sind. Von der Seite der Westroute folgt man ab der Wasserstelle neben der Hütte den sichtbaren Wegspuren.

Anschliessend stiegen wir auf der unverfehlbaren Südroute ab. Dort sind bekanntlicherweise alle möglichen Gruppen mit teilweise "interessanten" Ausrüstungen unterwegs und irgendwie waren wir trotz allem froh, den Berg auf der Westroute so einsam genossen zu haben.

Von Gusfand Sara nahmen wir das letzte Geländewagen-Taxi des Tages nach Polour wo wir die Nacht verbrachten, bevor wir am nächsten Tag via Teheran nach Isfahan weiterreisten.

Fazit
Ein toller Berg! Später trafen wir in Teheran noch den Präsidenten des Bergsteigervereins der Universität in Teheran, der uns von anderen sehr interessanten Routen erzählte. Die Nordroute soll sehr interessant sein (ohne Hochtourenausrüstung machbar). Ausserdem gibt es im Südosten eine Route, bei der man auf 1600m startet, die sehr schön und einsam sein soll.
Wir bereuten im Nachhinein, einen solch stressigen Gipfelpush gemacht zu haben, zumal die Schlechtwetterfront am Folgetag erst im Verlaufe des Nachmittages hereinbrach und wir ziemlich einfach zuvor noch den Gipfel hätten erreichen können.
Trotzdem war ich beeindruckt, wie schnell sich unsere Körper auf die Höhe eingestellt hatten.


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